RETHINKING COUNTRYSIDE


Das Projekt „Rethinking Countryside“ hatte das Ziel, mögliche Szenarien für die Umnutzung einer ehemaligen landwirtschaftlichen Hühnerzucht am Stadtrand von Vicenza zu entwickeln. Dafür wurde eine kreative Analyse durchgeführt, die als Grundlage für Planungsansätze diente. Auf dieser Basis wurden Planungspersektiven definiert, die schließlich in drei Szenarien mündeten, die unterschiedliche ökologische, soziale und ökonomische Schwerpunkte setzen. Ziel ist es, den stillgelegten Ort in einen Raum zu transformieren, der nachhaltige Nutzungen, kulturelle Aktivitäten und ökologische Funktionen vereint. Durch innovative Ansätze und eine sensible Gestaltung soll der Ort ein Bindeglied zwischen Stadt und Land werden, das sowohl die lokale Gemeinschaft als auch Besucher inspiriert.

Ausgangslage


Die ehemalige Hühnerzucht war zum Zeitpunkt der Projektausarbeitung noch in Betrieb, befand sich jedoch im letzten Jahr ihrer landwirtschaftlichen Nutzung. Das Areal umfasst acht Gebäude, die teilweise mit dem problematischen Baustoff Eternit errichtet wurden, und erstreckt sich über eine potenzielle Eingriffsfläche von 6,1 Hektar. Die Lage am Übergang zwischen städtischen und ländlichen Strukturen bietet großes Potenzial für eine neue Nutzung, bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich – darunter der Umgang mit den bestehenden Bauten und die Integration ökologischer sowie sozialer Funktionen in die Planung.

Stadt-Landschaftlicher Kontext


Das Projektgebiet liegt am nordöstlichen Stadtrand von Vicenza und befindet sich innerhalb des bebauten Stadtgebiets in einem letzten unbebauten Bereich, der noch von landwirtschaftlicher Nutzung geprägt ist. Dieser unbebaute Bereich stellt eine Besonderheit dar, da er sich in seinen Dimensionen mit nahe gelegenen Kasernen- und Parkanlagen vergleichen lässt. Er nimmt etwa 6 % der gesamten bebauten Fläche der Stadt ein und bietet damit nicht nur räumliches, sondern auch funktionales Potenzial für zukünftige Entwicklungen. Die Lage des Areals macht es zu einem entscheidenden Verbindungspunkt zwischen urbanen Strukturen und den angrenzenden ländlichen Gebieten, was seine Bedeutung für die Stadtplanung zusätzlich unterstreicht.

Landschafts-Layer

Kreative Landschaftslektüre

Das Projektgebiet befindet sich am nordöstlichen Rand der Stadt Vicenza, östlich einer süd-nördlich verlaufenden Bahnschiene. Diese Bahnschiene markiert eine deutliche Grenze zwischen urbanen und ländlichen Nutzungen. Westlich der Bahnschiene ist das Gebiet dicht bebaut und weist eine städtische Struktur mit Wohn- und Gewerbeflächen auf. Östlich davon beginnt abrupt die landwirtschaftliche Nutzung, die durch eine andere Flächenstruktur geprägt ist: große, offene Felder wechseln sich mit pflasterförmig angeordneten landwirtschaftlichen Anlagen und Höfen ab.

Das Projektgebiet liegt zentral in dieser Übergangszone, eingebettet zwischen der Bahnschiene im Westen und einer Straße im Osten. Diese einzigartige Lage unterstreicht das Potenzial des Areals, als Bindeglied zwischen Stadt und Land zu fungieren und Synergien zwischen urbanen und ländlichen Funktionen zu schaffen.

Luftbild Layer

Bebauungsstruktur

Offene Flächen

Landwirtschaft

Schwingungen der Landschaft im Übergangsbereich

Masterplan

Planungsobjektiven

sozialer Fokus


Das Projekt „Rethinking Countryside“ möchte soziale Interaktion und Bildung fördern, indem es vielfältige Nutzungsmöglichkeiten für die Gemeinschaft schafft. Geplant sind Bildungsangebote mit einem Schwerpunkt auf Umweltbildung, die sowohl praktische als auch theoretische Inhalte vermitteln. Darüber hinaus bieten Ausstellungsräume und Veranstaltungsflächen Raum für kulturelle und kreative Veranstaltungen, während Sportangebote die körperliche Aktivität und den sozialen Austausch fördern. Durch diese vielfältigen Angebote soll das Projekt zu einem lebendigen Ort der Begegnung und des Austauschs werden.

ökonomischer Fokus


Die wirtschaftliche Perspektive des Projekts konzentriert sich auf die Schaffung eines nachhaltigen und regional verankerten Wirtschaftskonzepts. Eine Möglichkeit besteht in der Integration von Agri-PV (Photovoltaik in der Landwirtschaft), die eine doppelte Nutzung der Flächen für Energieproduktion und landwirtschaftliche Zwecke erlaubt. Dies könnte die wirtschaftliche Basis des Projekts stärken und gleichzeitig zur Energiewende beitragen. Weitere wirtschaftliche Impulse könnten durch lokale Produkte, landwirtschaftliche Schulungen und innovative Geschäftsmodelle, wie Direktvermarktung oder Hofläden, gesetzt werden.

ökologischer Fokus


Das ökologische Ziel des Projekts liegt in der Wiederherstellung und langfristigen Förderung natürlicher Systeme. Geplante Maßnahmen umfassen die Renaturierung von Flächen und die Aufforstung, um die Biodiversität zu steigern und das Mikroklima zu verbessern. Zudem wird die Zulassung von Ruderal- und Spontanvegetation ein integraler Bestandteil des Konzepts sein, da diese Vegetationstypen wichtige Lebensräume für Insekten und andere Tierarten schaffen. Diese Maßnahmen tragen zur ökologischen Resilienz des Gebiets bei und stellen eine nachhaltige Nutzung sicher.

Entwicklung von drei Scenarien


Im Rahmen des Projekts „Rethinking Countryside“ wurden drei unterschiedliche Szenarien entwickelt, die jeweils eine spezifische Gewichtung der drei Planungsobjektive – sozial, ökonomisch und ökologisch – in den Mittelpunkt stellen. Jedes Szenario reflektiert eine andere Herangehensweise an die Umnutzung der ehemaligen Hühnerzucht und bietet individuelle Antworten auf die Herausforderungen und Potenziale des Projektgebiets. Diese Ansätze verdeutlichen, wie verschiedene Prioritäten die Gestaltung und Nutzung des Areals prägen können, und bieten gleichzeitig eine Grundlage für flexible und zukunftsorientierte Planung.

Scenario „Green Lung“

Dieses erste entwickelte Szenario legt den Fokus auf die ökologischen Perspektiven, indem durch umfassende Entsiegelungsmaßnahmen, gezielte Aufforstung und Renaturierung auf der ehemaligen landwirtschaftlichen Anlage und den umliegenden stadtnahen landwirtschaftlichen Feldern ein urbaner Wald geschaffen wird. Ziel ist es, eine grüne Lunge am Stadtrand zu etablieren, die nicht nur einen ökologischen Mehrwert bietet, sondern auch soziale und ökonomische Funktionen integriert.

Der geplante urbane Wald umfasst verschiedene Bereiche, die die ökologische Vielfalt fördern und die Anpassungsfähigkeit an klimatische Herausforderungen stärken. Ein Teil des Gebiets wird für nachhaltige Holzproduktion genutzt, die eine Ressource für die regionale Bau- und Energiewirtschaft darstellt. Andere Bereiche werden bewusst der ruderalen Vegetation überlassen, die durch ihre natürliche Dynamik wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen schafft. Zusätzlich sollen Wasserflächen und Feuchtvegetationszonen angelegt werden, um die Biodiversität weiter zu steigern und gleichzeitig wichtige ökologische Dienstleistungen wie Wasserspeicherung und Klimaregulation zu erfüllen.

Ein weiteres zukunftsweisendes Element ist der Agro-Forstanbau, bei dem landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Nutzungen kombiniert werden. Dieser Ansatz ermöglicht es, auf derselben Fläche sowohl Nahrungsmittel als auch Holzprodukte zu gewinnen, was die ökonomische Tragfähigkeit des Projekts erhöht. Gleichzeitig trägt er zur Erhaltung traditioneller landwirtschaftlicher Praktiken bei, die in moderner Weise weiterentwickelt werden.

Das Szenario berührt nicht nur die ökologischen, sondern auch die sozialen und ökonomischen Planungsobjektive. Der urbane Wald soll nicht nur ein Produktionsraum sein, sondern auch ein frei zugänglicher Erholungsraum für die Bevölkerung. Spazierwege, Ruhezonen und naturnahe Erlebnisbereiche bieten den Bewohnern und Besuchern von Vicenza Möglichkeiten zur Erholung und Naturerfahrung. Damit wird der urbane Wald zu einem Ort der Begegnung und zum Bindeglied zwischen der Stadt und ihrer ländlichen Umgebung.

Mit seiner multifunktionalen Ausrichtung schlägt dieses Szenario eine Brücke zwischen ökologischer Nachhaltigkeit, sozialem Mehrwert und wirtschaftlichem Potenzial. Es zeigt, wie eine gezielte Umgestaltung ländlicher und periurbaner Flächen nicht nur Umweltprobleme lösen, sondern auch die Lebensqualität der Menschen nachhaltig verbessern kann.

Erste Visualisation

Masterplan „Green Lung“

Layer des Masterplans

Scenario „Corte Rigoni“

Das zweite entwickelte Szenario, „Corte Rigoni“, legt den Schwerpunkt auf die Transformation und Neugestaltung der bestehenden Gebäudestrukturen. Die Planung sieht vor, die bestehenden Bauvolumen gemäß den Vorgaben des Piano di Intervento (PI) in einen neuen Baukörper zu überführen, der sich harmonisch in die ländliche Umgebung einfügt. Dabei orientiert sich der Entwurf bewusst am Gebäudetyp des Hofs – einer für die Region typischen und identitätsstiftenden Bauform.

Wesentliche Gestaltungselemente dieses Szenarios sind die gezielte Ausrichtung des neuen Baukörpers entlang bedeutender Achsen: einerseits zur historischen Villa Guiotto, andererseits zum bestehenden landwirtschaftlichen Hof. Diese Achsen betonen die visuelle und funktionale Verknüpfung zwischen Tradition und Innovation und schaffen ein räumliches Konzept, das lokale Werte und moderne Nutzungsanforderungen verbindet.

Die Gebäude im neuen Hofensemble sollen vielfältigen Nutzungen dienen. Geplant sind Veranstaltungsflächen für kulturelle und gesellschaftliche Events, ein Restaurant mit regionalem Fokus sowie Ferienunterkünfte, die den Tourismus in der Region fördern. Ergänzend wird das Freiraumkonzept durch Spielplätze, eine Streuobstwiese und ökologische Ausgleichsflächen bereichert. Diese Maßnahmen bieten nicht nur Erholungsräume für die lokale Bevölkerung, sondern tragen auch zur ökologischen Aufwertung des Gebiets bei. „Corte Rigoni“ verbindet somit eine innovative Nutzung mit der Bewahrung und Weiterentwicklung ländlicher Bau- und Landschaftstraditionen.

Masterplan 1:5000

Lageplan ‚Corte Rigoni‘ 1:1250

Il Corte – Der Hof

Scenario „AgriLab“

Das Szenario “AgriLab” kombiniert nachhaltige Landwirtschaft, Forschung und Bildung und legt dabei einen Schwerpunkt auf die ökonomischen Perspektiven. Die ehemalige landwirtschaftliche Hühnerzucht wird zu einem multifunktionalen Areal transformiert, das innovative Ansätze wie Agri-PV mit traditionellen Praktiken vereint. Um die Nutzungen klar zu strukturieren, gliedert sich das Szenario in drei Zonen: die ökologische Zone, die Markzone und die landwirtschaftliche Versuchs- und Bildungsfläche.

In der ökologischen Zone steht der Schutz und die Förderung der Biodiversität im Vordergrund. Blühstreifen, Feuchtbiotope und natürliche Vegetationsflächen schaffen Lebensräume für bestäubende Insekten und andere Tierarten. Diese Zone trägt nicht nur zur ökologischen Resilienz des Gebiets bei, sondern verbessert auch die Umweltqualität und bietet Raum für Erholung und Naturerfahrung.

Die Markzone zeichnet sich dadurch aus, dass bis auf ein Gebäude alle bestehenden Strukturen in diesem Szenario abgerissen werden. Das verbleibende Gebäude wird bewusst erhalten, um seinen industriellen Charakter zu nutzen und eine besondere Atmosphäre zu schaffen. Es wird als zentraler Ort für den Verkauf von regionalen Produkten, Veranstaltungen und temporäre Nutzungen gestaltet. Diese einzigartige Mischung aus Funktionalität und architektonischer Ästhetik macht die Markzone zu einem lebendigen Treffpunkt. Ergänzt wird die Markzone durch Hofläden, Wochenmärkte und gastronomische Angebote, die die regionale Wirtschaft fördern und die Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten stärken.

Die landwirtschaftliche Versuchs- und Bildungsfläche ist das Herzstück des “AgriLab”. Auf diesen Flächen werden moderne und nachhaltige Anbaumethoden wie regenerative Landwirtschaft, Permakultur und Agroforstwirtschaft erforscht und demonstriert. Agri-PV (Photovoltaik in der Landwirtschaft) spielt hier eine zentrale Rolle, da sie eine doppelte Nutzung der Flächen für Energieproduktion und landwirtschaftliche Zwecke ermöglicht. Diese Technologie zeigt, wie erneuerbare Energien in die Landwirtschaft integriert werden können, um ökologische und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig zu erreichen. Ergänzt wird diese Zone durch Bildungs- und Schulungsangebote, die praktische und theoretische Kenntnisse über nachhaltige Landwirtschaft vermitteln.

Das Szenario “AgriLab” verbindet soziale, ökologische und ökonomische Perspektiven in einem ganzheitlichen Ansatz. Es schafft nicht nur eine Plattform für Forschung und Innovation, sondern auch einen Ort, an dem Menschen zusammenkommen, um voneinander zu lernen und gemeinsam eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Die Kombination aus ökologischen Maßnahmen, wirtschaftlichen Impulsen und sozialen Angeboten macht “AgriLab” zu einem zukunftsweisenden Modell für nachhaltige Entwicklung im ländlich-städtischen Übergangsraum.

Masterplan ‚AgriLab‘ 1:5000

Lageplan 1:1250

Detailzonen

ökologische Zone – 1:300
landwirtschaftliche Zone – 1:500
Markt Zone – 1:200